Komfort und Bequemlichkeit – das sind die neuen Benchmarks in unserem Alltag. Ständig messen wir Dienstleistungen und Produkte daran, wie sehr sie unser Leben vereinfachen. Kunden legen höchsten Wert auf ihren Komfort und vernachlässigen dabei auch gerne jedwede Sicherheitsaspekte. Banken und Finanzdienstleister müssen den neuen Kundenansprüchen besser gerecht werden, wenn sie anderen – stärker auf Bequemlichkeit ausgerichteten Unternehmen – nicht das Feld und damit Kundenanteile überlassen wollen.
Beispiele von Unternehmen, die es verstanden haben, die Bedürfnisse ihrer Kunden bestmöglich zu bedienen, gibt es genug: Uber denkt beispielsweise seine Dienstleistungen End-to-end – immer entlang der Komfortwünsche seiner Kunden. So können Sie bei Uber einfach per App ein Taxi bestellen, am Ziel aussteigen, und die Zahlung wird automatisch von der App durchgeführt. Ohne, dass Sie Ihr Handy noch einmal in die Hand nehmen müssen. Vergleichen Sie das einmal mit unseren Taxi-Apps (!).
Übertragen auf Banken bedeutet das: Banking startet lange vor der Bank. Auch Finanzdienstleistungen müssen in die aktuelle Bedürfnisbefriedigung des Kunden integriert werden.
From Mobile to Invisible Banking – Wege und Erfolgsgeschichten
Was müssen Banken also tun, um ihren Kunden ähnlich bequeme und zu Ende gedachte Dienstleitungen anzubieten? Zunächst heißt es Kundenwünsche verstehen. Muss mein Service als Bank nicht viel früher greifen, wenn jemand ein Haus bauen möchte? Wie kann ich meine Dienstleistungen in die Kette sich entwickelnder Bedürfnisse bzw. in die reale Welt des Kunden integrieren? Denn ein Kunde ruft mein Online-Portal eigentlich nur auf, weil er ein Bedürfnis befriedigen möchte und nicht, weil er sich für eine Finanzdienstleistung interessiert.
Einige Finanzdienstleister im Retail und auch im Firmenkundengeschäft haben dieses Konzept bereits sehr gut verstanden und bieten erfolgreiche Lösungen an:
Mit der Devisenhandelsplattform 360T ist der Aufbau einer zu Ende gedachten Finanzdienstleistung gelungen. Konzerne wie die Lufthansa, die früher vielleicht drei Devisenhändler in verschiedenen Banken kontaktieren mussten, um Angebote einzuholen, können nun gleichzeitig von bis zu 75 angeschlossenen Banken Währungskurse abfragen.
Die spanische Bank BBVA hat es verstanden, ihre Bankdienstleistungen anderen Unternehmen schnell zugänglich zu machen. So können verschiedene Lösungen der BBVA über vorgefertigte API-Schnittstellen einfach und bequem in bestehende Systeme integriert werden. BBVA-Firmenkunden können sich so Bankprodukte wie in einem Baukastensystem individuell zusammenstellen und in ihre eigenen Dienstleistungen integrieren. Auch der Endkunde hat davon nur Vorteile, er muss nicht mehr einen separaten Kreditantrag stellen, sondern bekommt den Kredit voll integriert direkt im Online-Prozess des Händlers seiner Wahl. Für den Kunden ist die BBVA zwar unsichtbar in ein Service-Netzwerk integriert, aber sie behält dadurch den entscheidenden Teil der Wertschöpfung.
Ein weiteres Beispiel für gelungenes Banking aus dem Hintergrund kommt ebenfalls aus Spanien: Santander hat für den brasilianischen Markt einen Autokredit in den Kaufprozess integriert. Autokäufer können so mit wenigen Klicks einen Autokredit abschließen – direkt integriert in die Konfiguration des Fahrzeugs. Der Autokredit im Auto! Diese Autokredit-Funktion lässt sich einfach in Webseiten von Autohändlern und -herstellern integrieren. So haben Kunden in Echtzeit einen Überblick, wie hoch die Monatsrate ausfallen wird und können demensprechend noch das Schiebedach oder den Fahrradträger zusätzlich bestellen. Mit diesem Autokredit-as-a-Service konnte Santander Kosten reduzieren und in einem rückläufigen Markt den Umsatz und den Marktanteil steigern.
Drei konkrete Handlungsfelder für Invisible Banking tun sich also auf:
- Banken müssen in Dienstleistungen denken, nicht in Produkten
Machen Sie es wie die erfolgreichen GAFA und denken Sie über Ihr Produktportfolio hinaus. Entwickeln Sie Dienstleistungen: Integrieren Sie sich und Ihre Dienstleistungen in die realen Kaufprozesse der Endkunden. Setzen Sie beim Kundenbedürfnis an und integrieren Sie Ihr Know-how in die Dienstleistungen anderer Unternehmen, auch wenn Sie dadurch „unsichtbar“ werden. Hauptsache, der Kunde nutzt Ihre Finanzprodukte und nicht die der Konkurrenz. Ist er einmal außer Ihrer Reichweite, ist es nahezu unmöglich ihn zurückzugewinnen.
- Banken müssen sich als Plattform verstehen
Gibt es diesen Service noch nicht oder ist er noch nicht mit einer Bankdienstleistung verbunden? Gut, machen Sie das! Werden Sie selbst zur Plattform und bieten Ihre Produkte und Leistungen im Verbund an. Oder docken Sie sich und Ihre Dienstleistungen an eine bestehende Plattform an. Vielleicht bedeutet das indirektes Banking, also Finanzdienstleistungen aus dem Hintergrund, aber die Geschäfte werden mit Ihrer Beteiligung erfolgen. In diesem Zusammenhang bin ich auch sehr auf den European Platform Economy Summit gespannt, auf dem wir Ende November über Industriegrenzen hinweg die Potentiale der Plattformökonomie für Europa beleuchten werden.
- Banken müssen Ökosysteme erschaffen
Werden Sie Teil von Servicenetzwerken – die Kunden werden es Ihnen danken. Denn wenn Ihre Bankdienstleistung in vielen Lebensbereichen Ihrer Kunden integriert ist, bedeutet das gleichzeitig weniger Aufwand bei der Abwicklung – für beide Seiten.
Banken müssen wieder zeigen, dass sie die alleinigen Experten für Finanzgeschäfte sind. Sie müssen den Komfortgedanken ihrer Kunden verstehen und entsprechende Lösungen anbieten. Der Transfer zum Invisible Banking bedeutet nicht den Weg in die Bedeutungslosigkeit – ganz im Gegenteil. Langfristig werden Banken sich nur so eine zentrale Rolle in der Befriedigung der Finanzenbedürfnisse ihrer Kunden sichern.