Wenn ich zehn Jahre zurück denke, schien es damals unumgänglich, sich mit einer Geldanlage oder einem Kredit einer etablierten Bank anzuvertrauen. Betrachte ich die heutigen Optionen mit Scalable, Smava, N26, OSKAR oder eToro, sind etablierte Banken entweder auf eine untergeordnete Rolle in der Service-Erbringung reduziert oder ganz aus den Geschäftsmodellen dieser Digitalunternehmen verschwunden. Was können Banken von diesen FinTechs lernen?
Wo Banken Nachholbedarf haben
Letzten Sommer hat Accenture die „Enterprise Agility“-Studie veröffentlicht, die ein ernüchterndes Bild der Finanzbranche zeichnet. Die Studie zeigt, dass agile Unternehmen in finanzieller Hinsicht (gemessen am EBITDA-Wachstum) doppelt so erfolgreich sind wie ihre Konkurrenz. Agilität bestimmt sich dabei nach den beiden Dimensionen Geschwindigkeit und Stabilität. Wie beim Fahrradfahren braucht es beides: Ohne Geschwindigkeit kommt man nicht vom Fleck und ohne Stabilität fällt man bald um. Finanzdienstleister liegen verglichen mit anderen Branchen in beiden Dimensionen deutlich zurück.
Insbesondere gelingt es ihnen schlechter, erkannte Chancen zu nutzen und aktiv den Markt zu gestalten, anstatt nur auf das zu reagieren was im Markt passiert. Viele Unternehmen nutzen agile Werkzeuge nicht oder nicht richtig, um erfolgreich mit Unsicherheiten umzugehen. Stattdessen verharren viele zu lange in Planung und Risikoabwägung, anstatt unbekanntes Territorium schrittweise und mit – wenn nötig – schnellen Korrekturen zu erkunden (Geschwindigkeit).
Zum anderen haben viele Banken und Versicherer eine Unternehmenskultur, die Zusammenarbeit und Eigenverantwortung nicht ausreichend fördert. Mitarbeiter fühlen sich vom (mittleren) Management entkoppelt: Es fehlt ihnen der Zugang zu Informationen. Entscheidungen brauchen in den oftmals hierarchischen Strukturen lange Zeit. Das macht es Finanzdienstleistern nicht leichter, die besten Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. Zu wenig Weiterbildung und zu wenig Zeit, um sich auf die eigentlichen Prioritäten zu konzentrieren, gefährdet die Qualität und Kundenzufriedenheit (Stabilität).
Was die neue Kundengeneration von Banken erwartet
Die jungen Kunden der neuen Generationen entwickeln nicht mehr die gleichen Bindungen zu ihren lokalen Banken und Kundenbetreuern, wie es bei der Generation ihrer Eltern noch der Fall war. Auch eine neue Banking-App reicht dafür nicht aus: Junge Kunden messen die Benutzerfreundlichkeit und den Innovationsgrad von Finanzdienstleistungen an anderen digitalen Diensten wie Netflix, Amazon und Uber. Sie wollen von Produkten begeistert werden. Es braucht eben jene Geschwindigkeit und Stabilität, um hier mithalten zu können.
Was lässt sich nun von FinTechs lernen?
Unabhängig von ihrer Unternehmensgröße haben FinTechs sich überwiegend auf spezifische Nischenthemen der Finanztechnologie spezialisiert. FinTechs sind typischerweise in drei Dimensionen besser ausgestattet als etablierte Finanzdienstleister. Diesen drei Dimensionen werden wir uns in der kommenden Blog-Serie ausführlicher widmen:
a) Agilität/Kundenorientierung: FinTechs benötigen weniger Zeit bis zur Markteinführung, indem sie agiler vorgehen und Lösungen vom Endkunden her denken.
Welche Methoden von FinTechs sind auf die Strukturen einer Bank anwendbar, die Geschwindigkeit und Kundenfokus ermöglichen?
b) Technologische Innovation: FinTechs starten ohne technologische Vorbelastung und sind bestrebt, Innovationen nach dem modernsten technologischen Standard auf den Markt zu bringen.
Wie können sich Finanzdienstleister trotz der Last alter Systeme effektiv an diesen neuesten Entwicklungen beteiligen?
Strategische Marktpositionierung: FinTechs können als rein autonome Unternehmen gedeihen, die die Branche und große Unternehmen angreifen. In Kooperation mit etablierten Unternehmen ergeben sich große Synergiepotentiale. Welche Schlüsselfragen sollten geklärt werden, bevor man eine Zusammenarbeit eingeht? Welche Formen der Zusammenarbeit und Governance sind realisierbar?