In der viel zitierten, zentralen Rolle der Finanzdienstleiter bei der Bekämpfung des Klimawandels war ein Begriff im letzten Jahr dominant: Net Zero, die Netto-Null als Maßstab für die Klimaneutralität; der Wert, bei dem die unvermeidbaren, verursachten Treibhausgas-Emissionen wieder aus der Atmosphäre entfernt sind. Ausgedrückt im Pariser Klimaschutzabkommen und gestärkt in der Net Zero Banking Alliance hat man sich verpflichtet, dieses Ziel umzusetzen, messbar zu machen und einen Erreichungspfad aufzuzeigen. Im kommenden Jahr gewinnt dieser Pfad u.a. durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) an Schärfe. Die Regulierung sieht vor, dass Banken berichten müssen, wie ihre Strategie und ihr Geschäftsmodell mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C kompatibel ist. Immer mehr Banken setzten sich mittlerweile ein Net-Zero-Ziel. Unternehmen aus dem Finanzsektor haben im Schnitt das Jahr 2043 für Net Zero gewählt. Zum Vergleich: Deutschland müsste laut dem Sachverständigenrat für Umweltfragen bis 2032 klimaneutral sein, um das 1,5°-Ziel mit 50% Wahrscheinlichkeit zu erreichen.
Allerdings haben wir in unserer Studie Rising to the challenge of net zero banking festgestellt, dass aktuell weniger als 5% der Banken auf dem Weg sind, diese Ziele für die Emissionen ihres Portfolios zu erreichen. Für Banken ergibt sich hieraus mit dem Thema Net Zero – dem Erreichen von Netto-Null-Klimagas-Emissionen sowohl im Bankbetrieb (interne Sichtweise) als auch im Kreditportfolio und bei Anlagen im Asset Management (externe Sichtweise) – ein zentrales strategisches Paradigma für die kommenden Jahrzehnte. Dies beinhaltet Risiken, dass bestehende Kunden die Transformation nicht schaffen, zu stranded assets werden und als Umsatztreiber wegfallen. Doch es beinhaltet auch Chancen, weil neue Kunden hinzukommen und Bestandskunden wachsen können. Eine gute Net-Zero-Strategie hilft, diese Chancen zu nutzen und die Risiken zu minimieren. Aber wie lässt sich ein Net-Zero-Ziel in der Praxis umsetzen? Dafür sind drei Schritte notwendig:
- Das Setzen des eigentlichen Net-Zero-Ziels
- Die Entwicklung einer Übergangsstrategie
- Die Verankerung in der Organisation
Setzen eines Net-Zero-Ziels
Als Grundlage ist ein umfassendes CO2-Accounting für sowohl die internen Scope-1&2-Emissionen als auch Daten über die Emissionen im Portfolio Scope 3 notwendig. Eine Bank hat für gewöhnlich mehrere Bereiche, für die Ziele gesetzt werden können. Aktuell liegt der Fokus vor allem auf dem Corporate Lending – aber auch für Teile des Privatkundengeschäfts (Hypotheken/Autokredite) als auch für das Asset Management und das Kapitalmarkt-Geschäft lassen sich analoge Ziele definieren. Die Ziele der größten deutschen Banken (Deutsche Bank, Commerzbank, DZBank) sehen aktuell die Klimaneutralität im Jahr 2050 vor. Eine besondere Hürde ist die Beschaffung von adäquaten CO2-Daten für die Firmen im Portfolio. Hier können Datenvendoren bei der Bereitstellung helfen. Aus diesen Daten lässt sich für ein bestimmtes Basisjahr für das Kreditbuch eine absolute (in Tonnen CO2) oder relative (in Tonnen CO2 pro produzierte Einheit) CO2 Intensität nach Branchen ermitteln. Dies nennt man die Baseline. Im nächsten Schritt muss auf Grundlage dieser Baseline ein Ziel für den Net-Zero-Zeitpunkt bestimmt werden. Da der Zeitpunkt, zu dem Net Zero erreicht wird, für gewöhnlich weit in der Zukunft liegt (zwischen 2040 und 2050), ist es empfehlenswert ein Zwischenziel (bspw. 2030) zu definieren. Um ein adäquates Zwischenziel zu bestimmen, kann auf etablierte, industriespezifische Szenarien zurückgegriffen werden, beispielsweise von der internationalen Energieagentur (IEA).
Entwicklung einer Übergangsstrategie
Um die Ziele in der Zukunft zu erreichen, sollte eine Übergangsstrategie entwickelt werden. Hierfür bietet es sich an sein Geschäft in drei Kategorien zu teilen: Grow, Engage und Reduce.
- Grow: In Grow geht es um neue oder schon existierende Kunden, die bereits klimaneutral sind oder es bald werden, und mit denen eine Bank mehr Geschäft machen möchte, was die eigene financed-emissions Bilanz verbessert. Hier sind insbesondere junge Unternehmen, die Industrien transformieren wollen, sowie ring-fenced Finanzierungen bei bestehenden Kunden in neue Technologien interessant. Ob Windparks, Fabriken für E-Autos oder Elektrolyseanalagen für die Wasserstoffherstellung – der Investitionsbedarf und damit auch das Wachstumspotential ist groß. Allerdings machen diese Industrien heute nur einen kleinen Teil der Kreditportfolios von Banken aus und um diese Assets ist ein großer Wettbewerb entbrannt.
- Engage: Hier soll auf existierende Kunden eingewirkt werden, sich auch auf einen adäquaten Pfad zur Klimaneutralität zu bewegen. Dies kann durch Gespräche mit den Kunden oder auch durch bestimmte Produkte mit Anreizwirkung wie Förderkredite oder Green Loans erreicht werden. Hier müssen sowohl die Relationship Manager darauf vorbereitet werden, die Diskussion mit ihrem Kunden zum Thema Net Zero auf Augenhöhe zu führen, um als Trusted Advisor wahrgenommen zu werden, als auch die Produkte so designed werden, dass sie die Net-Zero-Ziele unterstützen.
- Reduce: Abschließend geht es bei Reduce um Kunden, bei denen die Bank nicht an eine erfolgreiche Transformation glaubt und welchen gegenüber die Bank ihr Exposure reduzieren möchte. Die Formalisierung dieses Prozesses geschieht gewöhnlich über Policies und Limits für bestimmte Industrien oder Sektoren – beispielsweise Kohleverstromung oder Kohleförderung. Grundsätzlich sollte auf die Reduce-Hebel nur in letzter Konsequenz zugegriffen werden und das Engagement mit den Kunden immer die erste Option sein.
Viele Kunden der Banken stehen aktuell am Anfang ihrer Transformation. Nichtsdestotrotz sollten Banken jetzt anfangen ihre Kredit- und Investitionsentscheidungen im Hinblick auf Net Zero zu hinterfragen. Ein signifikanter Anteil der Kredite, die heute abgeschlossen werden, ist 2030 noch im Portfolio der Bank. Dieser kann, wenn das Unternehmen einen hohen CO2-Fußabdruck hat, zu einem wesentlichen Kreditrisiko werden, wenn CO2-Preise in den nächsten Jahren stark steigen sollten. Es ist aber auch eine ineffiziente Allokation von Vertriebsressourcen heute, da der Customer Life Time Value von diesen Kunden deutlich geringer ist als bei Kunden, die erfolgreich transformieren und in neue Technologien investieren. Deshalb ist Net Zero nicht nur eine weitere regulatorische Anforderung, sondern eine Chance sich für die Transformation zu einer klimaneutralen Zukunft richtig aufzustellen und in der gesamten Bank zu verankern. Hierfür ist nach der Ermittlung der Net-Zero-Ziele eine effiziente Umsetzung in der Bank und die Einbettung als Steuerungskennzahl neben klassischen KPIs wie Risiko und Profitabilität notwendig.
Verankerung in der Organisation
Bei der Verankerung der Ziele in der Organisation darf der Changeaufwand nicht unterschätzt werden. Das Ziel betrifft mit hoher Wahrscheinlichkeit alle Geschäftsbereiche – und insbesondere heutige Cashcows, wie die Finanzierung von Utilities, der Öl- und Gasförderung oder anderen Industrien mit sowohl hohem Kapitalbedarf als auch hohem CO2-Ausstoß. Niemand gibt gerne Geschäft mit aktuell profitablen Kunden auf. Der Vertrieb in diesen Sektoren braucht eine Perspektive und diese muss aktiv mit ihnen entwickelt werden. Wenn die gesamte Organisation hinter dem Ziel steht, braucht es als nächsten Schritt adäquate Reporting-Systeme, um den Fortschritt kontinuierlich zu messen und dem Front-Office und dem Risikomanagement auf allen Ebenen (Kunde, Portfolio) Transparenz zu ihrer CO2-Performance zu geben. Nur so können die Geschäftseinheiten ihre Ziele erreichen. Diese erhobenen Daten können dann im nächsten Schritt in die Vergütung des Vertriebs eingebunden werden, um die Erreichung zu incentivieren und in der Limit-Setzung bei der Kreditrisikoprüfung eingebunden werden. Auch hier muss auf die richtige Balance zwischen Profit und Erreichen der Net-Zero-Ziele geachtet werden.
Die Uhr tickt – und die Langfristigkeit der Engagements lässt keinen Aufschub zu, Net Zero jetzt als Strategie zu formulieren und institutionell zu verankern, um aus zukünftigen Risiken heutige Chancen der Transformation zu machen.