Ein Aspekt, der mich an der Nachhaltigkeit so fasziniert, ist der große Wissensaufbau. Jeden Tag wird eine Vielzahl an neuen Studien veröffentlicht, werden Webinare angeboten und weitere Kursangebote veröffentlicht. Thematisch geht es von der „Einführung ins Sustainable Banking“ über die Regulatorik und Rahmenwerke, die neuen Produkte, die Datenanforderungen hin zu jedweden Detailaspekten des Klimas, CO2-Accounting ebenso wie Biodiversität und sozialen Aspekten. Während unsere jüngeren Kollegen und Berufseinsteiger teils Nachhaltigkeit als Schwerpunkt oder Vertiefung in ihrem Studium gewählt haben, heißt es für die Mehrzahl von uns: zurück auf die Schulbank und fit werden im Kopf für die Nachhaltigkeit. Und das alles, während der Kalender voll ist mit Videokonferenzen und der letzte Abschlusstest schon eine ganze Weile zurück liegt. Denn Lernen ist mit Aufwand verbunden, das Investment in die Lernzeit zu Sustainable Banking ist eine Investition in unsere (berufliche) Zukunft. Es wird nicht mehr ausreichend sein, dass sich ein kleines Team im Vorstandsstab mit dem Thema auskennt (und ja, die haben gerade einen beachtlichen Wissensvorsprung), vielmehr wird jeder Mitarbeiter Wissen rund um die Nachhaltigkeit brauchen, wenn auch in sehr verschiedenen Detailleveln und Schwerpunkten. Für Vorstände und Aufsichtsräte von Finanzinstituten hat die EZB bereits Ende letzten Jahres einen überarbeiteten „Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit“ veröffentlicht, in dem sie Wissen und Erfahrung zu Klima- und Umweltthemen einfordert. Zum Themenschwerpunkt Klimaneutralität hat die Net Zero Banking Alliance Germany einen Vorschlag für einen Grundlagenlehrplan unter dem Titel „Employees fit for Paris: Upskilling in Banken für ein klimaneutrales Deutschland 2045“ vorgestellt.
Ein dreistufige Modell spricht alle Mitarbeiter an
Nachhaltigkeit als Megatrend hält Einzug in alle Bereiche der Finanzinstitute und führt zu einer grundlegenden Veränderung – und genau auf diese Reise muss man die Mitarbeiter mitnehmen. Dies sollte in einem dreistufigen, aufeinander aufbauenden Modell erfolgen:
Die erste Stufe und Grundlage bildet der Wissensaufbau bei den Mitarbeitern in der Breite; die gesamte Belegschaft wird angesprochen und einbezogen. Neben der Vermittlung der Grundlagen zur Nachhaltigkeit wird hiermit vor allem der kulturelle Wandel angestoßen und vielleicht sogar zu einer Verhaltensänderung motiviert. Im Fokus steht die Erklärung der wesentlichen Begriffe (bspw. ESG, SDG, Paris, Net Zero) ebenso wie die unterzeichneten Rahmenwerke (bspw. UN Principles for Responsible Banking, Net Zero Banking Alliance) und deren Auswirkung auf die Strategie der Bank. Es gilt die Balance zu finden zwischen dem, was für die Branche allgemein gilt und den hauseigenen Ableitungen daraus. Kurze Online-Learning-Nuggets, kombiniert mit Gamification und kleinen Team-Aufgaben führen die Mitarbeiter an das Thema heran. Die Einbeziehung der Führungsebene als Sprecher unterstreicht die Glaubwürdigkeit und den Willen zur Veränderung und Weiterentwicklung der Organisation.
Die zweite Stufe ist ein rollenspezifisches Training. Aufbauend auf das gelegte Fundament lernt nun jeder Mitarbeiter, was Nachhaltigkeit für seine persönliche Rolle bedeutet und wie der individuelle Wertbeitrag aussehen wird. Die Kundenbetreuer vertiefen ihr Wissen zum nachhaltigen Produktangebot ebenso wie bspw. aus MiFID resultierende neue Anforderungen an den Beratungsprozess. Insbesondere in der Nähe zu den regulatorischen Veränderungen werden die Lernmodule um eine Lernfortschrittskontrolle angereichert, sodass ein entsprechender Nachweis entsteht. Die Risikomanager beschäftigen u.a. mit physischen und transitorischen Risiken und wo diese im Entscheidungsprozess eine Rolle spielen. Die Produktmanager bekommen aufgezeigt, welche Innovationen entstehen und schauen mit den Partnermanagern auf potentielle neue Kooperationen. Aber auch die zentralen Unternehmensfunktionen sind zu berücksichtigen: sie müssen neben dem Lieferkettengesetz im Einkauf mit Diversität und sozialem Engagement im Personalbereich auch im Finance-Bereich mit neuen Kennzahlen arbeiten.
Die dritte Stufe ist die externe Zertifizierung. Ausgewählten Mitarbeitern, die sich auf das Thema Sustainable Banking fokussieren wollen und als Multiplikator für ihre Teams eine Vorreiterrolle einnehmen, können externe Studienangebote wahrnehmen. Neben einer weiteren Vertiefung ausgewählter Inhalte signalisiert der (akademische) Abschluss nach außen hin eine Auseinandersetzung und Beschäftigung mit dem Thema und damit verleiht dem Willen zum Wissensaufbau Nachdruck. Während das Sponsoring eines solchen Programms ein Incentive für ausgewählte Mitarbeiter sein kann, wird man die verschiedenen angebotenen Programme der Institute und Hochschulen genau auf ihren Mehrwert hin prüfen müssen.
Eine fortlaufende Lernreise
Da jeden Tag neues Wissen und neue Erkenntnisse entstehen und es keinen Zielzustand in der Nachhaltigkeit gibt, ist es wichtig, immer wieder die neuen Inhalte aufzunehmen, die bestehenden Trainingsmodule zu aktualisieren und zu ergänzen. Anerkennen muss man dabei die Realität der Mitarbeiter, in deren Zeitbudget nur eine begrenzte Menge an Wochenarbeitszeit für Fortbildung zur Verfügung steht. Daher ist es elementar, Prioritäten und Lernziele für dieses umfassende Thema klar zu formulieren. Um es langfristig zu verfestigen und den Charakter einer Pflichtschulung zu vermeiden, sollten die Mitarbeiter in der Grundlage für das Thema motiviert werden, jederzeit der Bezug zur individuellen Strategie hergestellt und abwechslungsreiche Formate miteinander gemischt werden. Ist die Neugier einmal geweckt, wird der Kontext verständlich und die täglichen Neuinformationen können von den interessierten Mitarbeitern aufgenommen und eingewertet werden. Ein wichtiger Schritt, um in der Nachhaltigkeit vom Versprechen in die Verwirklichung zu kommen.