In den vergangenen Blogbeiträgen bin ich näher darauf eingegangen, wie die Anwendung der Blockchain-Technologie zur Schaffung und Verbreitung von unkonventionellen, zurzeit nicht bankfähigen Vermögenswerten (Non-Bankable Assets) genutzt werden kann.
Nun möchte ich mich einem neuen Thema zuwenden, welches über die letzten Monate hohe Wellen im Digital Asset Bereich geschlagen hat und das Potenzial aufweist, unser Verständnis von Finanzdienstleistungen auf den Kopf zu stellen. Ich spreche von Decentralized Finance, oder kurz DeFi, welches es Marktteilnehmern ermöglicht, ohne Finanzintermediäre direkt miteinander zu interagieren. Doch was bedeutet dies genau und wie funktioniert DeFi?
Decentralized Finance «101»
Die zugrunde liegende Idee hinter der Entwicklung von DeFi ist es, (traditionelle oder neue) Finanzdienstleistungen aller Art für jedermann frei zugänglich zu machen mittels eines öffentlichen Finanzdienstleistungsökosystems basierend auf einer Blockchain-Infrastruktur. DeFi setzt dabei auf dezentrale Applikationen (dApps), welche als Konnektoren fungieren und die beteiligten Parteien direkt miteinander verbinden, ohne dass es der Zwischenschaltung von Intermediären oder zentralen Kontrollinstanzen bedarf. Um Letztere zu ersetzen, greifen dApps auf «Smart Contracts» zurück, welche Transaktionen automatisch ausführen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Damit DeFi funktioniert, braucht es also eine dezentrale, «Smart Contract»-fähige Infrastruktur. Die überwiegende Mehrheit der heutigen DeFi-Anwendungen basieren und laufen dabei auf Ethereum – einer der bekanntesten DLT-Plattformen, welche eine einfache Programmierung von Smart Contracts zulässt und öffentlich zugänglich ist.
Diese dezentrale Organisation von Finanzdienstleistungen unterscheidet sich stark vom traditionellen Finanzsektor, in welchem Transkationen und (Produkt-)Zugang der Kontrolle durch Intermediäre wie Banken unterliegt und darüber hinaus stark von Regulatoren abhängen. Im Gegensatz dazu verspricht DeFi ein transparentes, faires und kostengünstiges Finanzökosystems, welches für alle rund um die Uhr zur Verfügung steht.
Ein Blick in die Zukunft mit DeFi
DeFi steht als Überbegriff für ein dezentrales Finanzsystem, welches grundsätzlich dieselben Dienstleistungen bereitstellen kann, die man von klassischen Finanzakteuren kennt. Durch den Open-Source-Charakter können jedoch auch verschiedenste Smart Contracts miteinander kombiniert werden, was wiederum neue und innovative Anwendungen hervorbringt. Darüber hinaus ermöglichen DeFi-Applikationen Krypto-Halter ihre digitalen Vermögenswerte gewinnbringend einzusetzen.
Der derzeit populärste DeFi-Bereich ist die Kreditvergabe und –aufnahme. Durch die Anwendung von Smart Contracts muss sich dabei keine der Parteien ausweisen. Stattdessen hinterlegen Kreditnehmer vordefinierte Sicherheiten, auf welche die Kreditgeber im Verzugsfall automatisch Anspruch erhalten. Dementsprechend entfallen beim DeFi-Kredit einige Restriktionen aus dem traditionellen Kreditwesen, wie z.B. die Überprüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers. Anfänglich wurde dabei meist auf Stable Coins als Hinterlegung zurückgegriffen, um der inhärenten Volatilität von Kryptowährungen entgegenzuwirken. In der Zwischenzeit können aber auch verschiedenste Kryptowährungen und sogar NFTs als Sicherheit verwendet werden.
Eine bemerkenswerte DeFi-Innovation sind dezentrale Börsen (DEXs), respektive Markt- und Handelsplätze. Diese Plattformen verbinden Käufer und Verkäufer von Digital Assets, ohne dass vertrauenswürdige Intermediäre oder ein zentrales Order Book die Vermittlung zwischen den Parteien orchestrieren müssten. Vermögenswerte, die auf DEXs gehandelt werden, befinden sich dabei niemals im Wallet eines Dritten, wie es bei herkömmlichen, zentralisierten Börsen der Fall ist. Mit anderen Worten, die Käufer und Verkäufer müssen nicht darauf vertrauen, dass die zentrale Instanz ihre digitalen Vermögenswerte sicher verwahrt.
Ein weiteres Anwendungsgebiet von DeFi sind dezentrale Versicherungsprotokolle, die Risiken wie Smart-Contracts-Hacking oder Cyber-Attacken auf zentralisierte Börsen abdecken. Grundsätzlich können diese Services jedes mögliche DeFi-Risiko abdecken und auch auf sonstige Bereiche ausgeweitet werden. Ebenfalls sollen damit die Transparenz und Sicherheit gefördert sowie die Kosten gesenkt werden.
Weitere DeFi-Anwendungen finden sich beispielsweise im Bereich von Zahlungsdienstleistungen, strukturierteProdukte und Derivate, AssetManagement, Crowdfunding.
DeFi Limitationen als Chance für etablierte Finanzdienstleister
Die DeFi-Entwicklungen der letzten Jahre haben über den Krypto-Markt hinaus für Aufmerksamkeit gesorgt, vor allem durch den drastischen Anstieg gebundener Vermögenswerte in verschiedensten DeFi-Protokollen. Jedoch wurden auch immer wieder die Risiken dieses noch jungen DeFi-Bereichs aufgezeigt. Dies beispielsweise, wenn findige Hackers durch die Ausnützung von Schwächen und Fehlern im Code eines Smart Contracts an die gebundenen Vermögenswerte gelangen konnten. Zudem haben das starke Wachstum und diese negativen Vorkommnisse dazu geführt, dass sich Regulatoren vermehrt dem Krypto- und damit DeFi-Bereich annehmen.
Hier können etablierte Finanzunternehmen ansetzen und ihre langjährige Erfahrung im Umgang mit Kundenvermögen und Finanzmarktregulationen (z. B. KYC und AML Prozesse) einbringen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, DeFi-Services ins eigene Produktportfolio zu integrieren und so einem breiteren Publikum auf einfache Art und Weise zugänglich zu machen, ohne dass Kunden vertiefte technische Vorkenntnisse benötigen. Zu guter Letzt können innovative DeFi-Konzepte als Grundlage für den Ausbau neuer Dienstleistungen dienen.
DeFi steht noch ganz am Anfang der Reise, doch die Entwicklungen laufen auf Hochtouren. Dank des offenen Zugangs zum Netzwerk und Codes hat sich eine lebhafte Community etabliert, welche bestehende Applikationen weiterentwickelt und stetig neue Lösungen hervorbringt. Es lohnt sich demnach, sich diesem Bereich auch als etabliertes Finanzunternehmen anzunehmen, entsprechende Handlungsstrategien zu entwickeln und mit einer gewissen Offenheit diesen Entwicklungen entgegenzutreten.
Gerne helfen wir Ihnen dabei, diese Potenziale zu erschliessen. Sollten Sie Fragen haben oder mehr über einzelne Themen wissen wollen, zögern Sie nicht, mich oder meine TeamkollegInnen zu kontaktieren.