Accenture Banken Blog

Mit der Ära der Plattformökonomie befinden sich Banken in der wahrscheinlich umfassendsten Transformation ihrer Geschichte. Die tradierten Geschäftsmodelle tragen immer weniger, Disintermediation ist in zahlreichen Banking-Feldern längst Realität. Banken müssen sich dringend mit der eigenen Rolle in diesem Szenario auseinandersetzen.

Ich bin noch immer ganz inspiriert von einer Veranstaltung, bei der ich vor einigen Tagen mitdiskutieren durfte. Im Gespann mit meiner Kollegin Esther Recktenwald, Managing Director im Bereich Technology Strategy and Advisory bei Accenture und Kai Kirschbaum, Incubation Lead Business Banking bei der Deutschen Bank ging es bei unserer Impulsgeber-Session (eine Aufzeichnung findet sich hier) um nicht weniger als die Zukunft der Finanzdienstleistung im Licht der aufkommenden Plattform-Economy. Dass eine Debatte hierüber dringend nötig ist, zeigt die Realität. Zahlreiche Bankdienstleistungen, vor allem solche mit geringem Beratungsbedarf, finden immer mehr im Kontext anderer Produkte und Dienste durch neue Wettbewerber statt. Bezahle ich mit Smart-Watch oder Smartphone im Supermarkt, dann spielt es letztlich keine Rolle, wer die Zahlung abwickelt. Gleiches gilt für In-Car-Payments für Parken, Tanken & Co., wie sie Mercedes und Visa jüngst vorgestellt haben oder die Debitkarte des Unterhaltungselektronik-Abo-Anbieters Grover. Auch Kunden, die über eine Trading-App Aktien kaufen ist es meist egal, wo die Wertpapiere verwahrt werden oder welcher Banking-as-a-Service-Partner für das notwendige Referenzkonto involviert ist. Niemand braucht hier eine Hausbank oder würde diese vermissen.

Kundenschnittstellen- und Margenverlust

Mit der Kundenschnittstelle verlieren Banken erhebliche Umsatzanteile, denn die Vertriebsmarge ist in der Regel deutlich höher als die Produktionsmarge. 416 Milliarden US-Dollar an Bankumsätzen stehen nach unseren Schätzungen in der Open-Banking-Welt im Risiko. Banken müssen sich bewegen, um relevant zu bleiben und ein möglichst großes Stück dieses Kuchens zu halten. Allerdings – und auch darüber haben wir intensiv diskutiert – stehen sie der Entwicklung nicht gänzlich schutzlos gegenüber. Banken zeichnen sich noch immer durch einen Vertrauensvorsprung aus. Unterstützend wirkt hier die sonst als Last empfundene Regulierung. Finanzinstitute agieren als Gatekeeper in vielen Segmenten deutlich nachhaltiger als Fintechs, sie erfüllen damit auch eine gesellschaftliche Funktion. Abhängig davon, wie kosteneffizient sie künftig die regulatorische Compliance darstellen können und welche Service-Angebote sie darauf aufsetzen, kann hier ein Schlüssel für das künftige Geschäft liegen.

Das setzt aber voraus, dass Banken eine strategische Entscheidung darüber treffen, welche Rolle sie künftig einnehmen wollen:

  • Wollen sie in der Plattform-Ära Anbieter von integrierten Bausteinlösungen im Lebensalltag sein oder selbst Plattformbetreiber, der zahlreiche andere Lösungsanbieter orchestriert?
  • Welche Optionen sind überhaupt realistisch und welche Kompetenzen müssen Banken hierfür erwerben?
  • Wie muss sich die Organisation der Bank und die Art, wie im Banking gearbeitet wird ändern?

Den strategischen Stellschrauben folgen ganz unterschiedliche Herausforderungen. Als orchestrierende Plattform sind Datenexpertise, Produkt- bzw. Lösungsinnovation und starkes Partnering essenziell. Für alle drei Disziplinen sind Banken nicht gerade als Champions bekannt. Als Anbieter von integrierbaren Finanzbausteinen stehen wiederum die Kosten im Zentrum, gerade mit Blick auf wenig beratungsintensive „Commodity“-Angebote. Banken werden nur in die Rolle des Lieferanten schlüpfen können, wenn sie zu entsprechend günstigen Stückkosten skalieren können und das braucht Automation und Prozessexzellenz. Ganz gleich für welche Option oder welche hybride Aufstellung sich Finanzinstitute entscheiden, der Weg dahin wird keinesfalls trivial und setzt eine intensive Auseinandersetzung voraus.

Gestaltungsdebatte gemeinsam aufnehmen

Ich glaube, wir stehen hier erst am Anfang einer wichtigen Debatte um die Bankenzukunft. Schließlich sind noch zahlreiche Fragen unbeantwortet, andere Aspekte unterliegen weiter massiven Veränderungen, sodass sichere Prognosen kaum möglich sind. Wie verändert beispielsweise Decentralized Finance das Szenario? Wo liegen die besten Chancen? In der Plattform oder im Bausteinangebot? Können Banken als Verwahrer für Identitäten oder Daten fungieren? Bei der Beantwortung und der Suche nach Lösungsansätzen sind wir alle gefragt. Es ist an uns gemeinsam, den Bankenstandort im internationalen Wettbewerb zu gestalten. Insofern bin ich mir sicher, dass auch unser Expertentalk hierzu nicht der letzte gewesen sein wird.