„Buy Now Pay Later“-Angebote haben im Onlinehandel in den vergangenen Jahren einen regelrechten Siegeszug hingelegt. Doch so bequem die Lösungen der Fintechs auch sind, sie sind bisweilen teuer, intransparent und unseriös. Inzwischen droht immer mehr Kunden ein böses Erwachen. Das ruft auch den Regulator auf den Plan. Gelingt es Banken, das Segment auf vertrauenswürdige Art und Weise neu zu erfinden und damit zu retten?
In den vergangenen Jahren haben sich Hybridlösungen aus Rechnungskauf und Ratenkredit, auch bekannt unter dem Label Buy Now Pay Later (BNPL), zum Boom-Segment des Zahlungsverkehrsmarktes schlechthin entwickelt. Im Schatten der Aufmerksamkeit der Banken und des Regulators konnten sich Fintechs wie der schwedische Platzhirsch Klarna rund 20 Prozent am globalen E-Commerce schnappen. Gemäß Daten der SCHUFA stieg der Anteil von Ratenkrediten unter 1.000 Euro an den neu abgeschlossenen Krediten hierzulande im Jahr 2021 von 19,9 auf 29,5 Prozent. Der BNPL-Boom scheint aber nun sein jähes Ende zu finden.
Wie Kopfschmerzen nach der Party
Vielen, gerade jungen Kunden wachsen die Verbindlichkeiten über den Kopf. Das Hashtag #klarnaschulden bei TikTok hat inzwischen fast 40 Millionen Aufrufe. Auch wenn eine Reihe der Nutzer dort mit ihren Verbindlichkeiten eher kokettieren, nehmen viele Konsumenten BNPL vor dem Hintergrund der Leichtigkeit der Ratenzahlungsvereinbarungen – bei Konsumentenkrediten unter 200 Euro und Laufzeit unter drei Monaten bislang ohne Prüfung der Kreditwürdigkeit – schlichtweg nicht als echten Kredit wahr. Dass diese Kleinstkredite dennoch zum Problem werden können, zeigen Studiendaten aus den USA, wonach jeder dritte BNPL-Nutzer schon mindestens einmal eine seiner Raten nicht bedienen konnte. Gerade bei der Käuferschaft, die dem Trend Fast Fashion folgt, kann es vorkommen, dass die Klamotten längst in der Altkleidersammlung gelandet, die Schulden aber noch lange nicht beglichen sind.
Verschlimmert wird die Situation durch die aktuell massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten, sei es für Strom, Wohnnebenkosten oder Lebensmittel, die Kunden zur Priorisierung ihrer Zahlungen zwingen und für Kreditausfälle sorgen. Das merkt auch die Gläubigerseite:
- Allein im ersten Halbjahr 2022 verzeichnete Klarna Nettokreditausfälle von mehr als einer Viertelmilliarde Euro (2,85 Milliarden Kronen).
- Auch wenn dies nur ein Prozent des Gesamtvolumens darstellt, sind die Ausfälle im Vergleich zum Vorjahr um 52 Prozent angestiegen.
- Im Licht des konjunkturellen Abschwungs und sinkender Konsumausgaben der Kunden hat sich bei den Schweden der operative Verlust unter dem Strich auf 6,2 Milliarden Kronen, rund 580 Mio. Euro, verdreifacht.
Regulierung ist Bremse und Chance
Aber nicht nur zunehmende Ausfallrisiken, sondern auch die steigenden Zinsen schlagen auf die Geschäftsmodelle der Fintech-Anbieter durch. Schließlich müssen sie die vergebenen Kredite in der Regel bei anderen Finanzmarktteilnehmern beschaffen. Hinzu kommt die Finanzaufsicht, die die bestehenden Regulierungslücken im Kampf gegen eine drohende Überschuldung auf die Agenda genommen hat. Mit der Novellierung der Verbraucherkreditrichtlinie soll dann auch für Ratenkredite unter 200 Euro eine Bonitätsprüfung kommen, zudem müssen die Kunden besser informiert werden. Einige Stimmen im Markt sehen das als deutlichen Schlag gegen die bisherigen Superstars der Branche.
Doch wäre das tatsächlich so schlimm? Und ist das, was wir in dieser Hinsicht in den vergangenen Jahren im Markt beobachten konnten, tatsächlich ein echtes Geschäftsmodell? Sicher, den Fintech-Spielern ist es gelungen, ihre Services nahtlos und bequem in die E-Commerce-Strukturen zu integrieren und Kunden ein äußerst bequemes und attraktives Finanzierungsangebot zu machen. Allerdings war die Attraktivität doch letztlich auch dem Niedrig- bzw. Negativzinsumfeld und einer (selbst während Corona) recht gut laufenden Konjunktur geschuldet. Kreditausfälle gab es kaum in nennenswerter Höhe, insofern mussten auch keine Kreditrisiken gemanagt werden. Der Markt hat zudem mit billigen (Re-)Finanzierungsmöglichkeiten beinahe schon um sich geworfen und die Fintech-Player bereitwillig in ihrem Geschäft unterstützt. Und zu guter Letzt mussten die BNPL-Platzhirsche dank großzügiger Venture-Capital-Fundings mit dem Geschäft auch noch nie Geld verdienen.
Banken sollten Stärken ausspielen
So düster das derzeitige Szenario jetzt auch wirkt, BNPL ist nicht tot. Die aktuelle Verdunklung und das Anziehen der regulatorischen Daumenschrauben sehe ich eher als Chance für einen seriösen Neuanfang. Banken können hier aus mehrerlei Gründen eine wichtige Rolle spielen:
- Das Management von Kreditrisiken ist seit ihrem Bestehen Kern ihrer wirtschaftlichen Aktivität.
- Regulierung ist tief in ihren Geschäftsmodellen verankert – die nun stattfindende Verschärfung bei BNPL stellt für sie keinen Unterschied dar.
- Die Institute verfügen über das notwendige Kapital zur Finanzierung des Geschäfts im eigenen Haus.
Dieses Potenzial sollten Banken nutzen, auch wenn das zugegebenermaßen nicht trivial ist. Wie schon erwähnt, haben Klarna & Co. bei der Integration in den Check-out-Prozess des Handels eine wirklich gute Arbeit geleistet. Hier werden sich Finanzinstitute strecken müssen, um gleichzuziehen. Zudem braucht es eine kritische Masse von Händlern, die die Bankenlösung in den Check-out-Prozess einbindet, damit der Case aufgeht. Und nicht zuletzt müssen Banken die Transparenz von BNPL-Angeboten erhöhen, um Kunden dabei zu unterstützen, das Konsumentenkreditangebot verantwortungsvoll zu nutzen.
Überschuldete Käufer wollen wir alle nicht, weder die Bank noch die Gesellschaft. Wir werden daher Financial-Education-Angebote weit stärker als bisher benötigen, um bequeme Zahlungs- bzw. Finanzierungsoptionen im Handel, nachhaltiges Geschäft und gesellschaftliche Verantwortung miteinander zu verknüpfen. Unsere Banken sollten die aktuelle Chance nutzen. Sie schaffen damit nicht nur neues Geschäft für sich, sie haben auch die Gelegenheit, BNPL auf verantwortungsvolle Art und Weise neu zu erfinden.