Wir haben sie unter die Lupe genommen
Sowohl für Neu- als auch für Bestandskunden ist die Webseite einer Privatbank häufig die erste Anlaufstelle und Informationsquelle. Neben der originellen Gestaltung spielen vor allem die Benutzerfreundlichkeit und die Barrierefreiheit eine große Rolle und sind wesentliche Differenzierungsmerkmale am Markt.
In Zusammenarbeit mit Accenture SONG führte die Accenture Private Banking Practice Österreich eine Webseitenanalyse von 20 österreichischen Privatbanken* durch. Im Rahmen dieser Analyse wurden die Webseiten der Privatbanken hinsichtlich Benutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit analysiert und nach Schulnotensystem (1=Sehr Gut – 5=Nicht Genügend) bewertet. Das Ergebnis: nur 3 von 20 Privatbanken schneiden insgesamt „Gut“ ab, der Rest befindet sich noch im Mittelfeld.
Benutzerfreundlichkeit (Usability)
Die Usability einer Webseite bezieht sich auf die Benutzerfreundlichkeit der Seite und beschäftgt sich mit folgenden Fragen: Wie leicht kann ein Besucher über die Webseite mit der Bank interagieren? Finden User genau die Information, die sie auch beabsichtigen zu finden? Als Kernstück des digitalen Kundenerlebnisses bestimmt die Benutzerfreundlichkeit, inwieweit Webseiten-Besucher ihre Ziele in einem bestimmten Nutzungskontext effektiv, effizient und zufriedenstellend erreichen können.
Im Zuge der Analyse wurde die Benutzerfreundlichkeit anhand der Heuristischen Evaluation (nach Jakob Nielsen, wobei in 10 Punkten die Usability/Anwendung einer Webseite analysiert wird) ermittelt. Die Privatbanken-Webseiten liegen tendenziell im oberen Mittelfeld, mit einer Gesamtbewertung von „Gut“ bis „Befriedigend“.
Die Stärke der analysierten Webseiten besteht in der Übereinstimmung von System und Wirklichkeit, also wie einfach den Usern der Inhalt der Webseite vermittelt wird. Im Bereich Navigation und Userführung befinden sich die Privatbanken ebenfalls im oberen Bereich. Dies bedeutet, dass die Nutzer durch gezielte Userführung und leicht erkennbaren Systemstatus relativ schnell an ihr Ziel gelangen. Vergleichsweise schlechter schneiden die Banken allerdings in den Bereichen Seitenaufbau, sowie Relevanz des Inhalts ab. Die Struktur der Seiten ist oft nicht optimal und erschwert den Nutzern die Orientierung auf der Seite selbst, was vor allem Erstbesucher überfordern kann.
Barrierefreiheit (Accessibility)
Der Zugang zu Informationen muss für alle Internetnutzer möglich sein. Webseiten müssen daher für jeden erreichbar sein und somit barrierefrei gestaltet werden. Tatsächlich unterstützen die meisten Webseiten keine Screenreader-Software („Vorlese-Andwendung“, die eine zusätzliche Benutzerschnittstelle darstellt), womit ganze Usergruppen ausgeschlossen werden, beispielswiese Besucher mit eingeschränkten Zugangsfähigkeiten.
Die Accessibility der 20 Webseiten wurde anhand der Standards des W3C (Gremium zur Standardisierung der Techniken im Web) und gemäß des Ansatzes der Web Accessibility Initiative untersucht. Auch hier liegt das Gesamtresultat bei befriedigend. Während die Privatbanken auf ihren Webseiten auf gute Kontrastverhältnisse achten, sind die Seitentitel häufig nicht klar und teilweise inkonsistent. Auch der Einsatz von Landmarks ist ausbaufähig. Das Fehlen dieses natürlichen oder künstlichen Merkmals, das der Navigation dient, erschwert Screenreader-Nutzern das Lesen der Webseite. Zudem ist auch die Bedienbarkeit vieler Webseiten über die Tastatur allein kaum möglich, womit die Nutzung der Seite für Tastatur-Nutzer eigentlich nicht gegeben ist.
Insgesamt zeigt die Analyse, dass die österreichischen Private Banking Websites eher „usable“ als „accessible“ sind. Nur 3 von 20 weisen in beiden Bereichen gute Ergebisse aus. Vorreitend ist hier die Steiermärkische Sparkasse Private Banking, die nicht nur durch ein ästhetisches und konsistentes Designkonzept punkten kann und den Besuchern somit eine klare Navigation auf der Seite bietet, sondern ihre Webseite auch barrierefrei gestaltet hat und damit in Punkto Barrierefreiheit die besten Ergebnisse ausweisen konnte. Auch das Bankhaus Spängler und die VKB Bank konnten im Vergleich zur Peer-Gruppe gut abschneiden, allerdings mit größerem Aufholbedarf im Bereich Accessibility.
Im Gegensatz zur Benutzerfreundlichkeit wird die Accessibility einer Webseite generell noch immer unterschätzt. Nur wenige Privatbanken berücksichtigen sämtiche Anforderungen an eine barrierfreie Webseite (bspw: klarer, logischer Aufbau; Einsatz von Landmarks; Farbkontraste; Keyboard Zugang & Bedienung; leichte Sprache; Skalierbarkeit der Schriftgröße**).
Obwohl die untersuchten Privatbanken im Bereich Usability tendenziell bessere Ergebnisse erzielen konnten, gibt es auch hier noch Möglichkeiten zur Verbesserung, um das Nutzererlebnis zu erhöhen. Denn der Aufbau der meisten Websites ist für den Besucher nicht ideal strukturiert und auch die Relevanz der dargestellten Inhalte ist nicht unbedingt gegeben. Webseiten-Besucher brauchen somit zu lange, um sich zu orientieren und zum Ziel zu kommen.
Webseiten müssen also nicht nur originell, sondern vor allem auch barrierefrei und nutzerfreundlich sein, um das Erlebnis – für alle Besucher – einzigartig zu machen. Hat man sich zum Ziel gesetzt, über die Webseiten neue Zielgruppen zu erreichen, beziehungsweise vermehrt Services über diese anzubieten, dann besteht hier noch die große Chance, sich mit gezielten Maßnahmen vom Markt abzuheben.
*Bank Austria Private Banking, Bank Gutmann, Bank Winter, Bankhaus Spängler, BKS Bank, BTV Vier Länder Bank, Erste Private Banking, Hypo Voralberg, Kathrein Bank, Liechtensteinische Landesbank, LGT Bank, Oberbank AG, Schelhammer Capital, Schoellerbank, Steiermärkische Sparkasse Private Banking, VKB Bank, Volksbank, Walser Privatbank/Alpen Privatbank, Wiener Privatbank, Zürcher Kantonalbank Österreich AG.
**nicht exklusive Aufzählung