Accenture Banking Blog

Banken kommt beim nachhaltigen Umbau unserer Gesellschaft eine zentrale Rolle zu. Sie sollen die Kapitalströme zur nachhaltigen Transformation der Realwirtschaft in die „richtige“ Richtung lenken – und Finanzierungen sowie Investitionen in die „falsche“ Richtung unterlassen bzw. transparent machen. Mit ihrem Kapitalhebel sind sie der Katalysator, der den Wandel massiv beschleunigen kann. Viele Finanzinstitute gehen dabei bereits deutlich über die regulatorischen Rahmenbedingungen hinaus, wie jüngst unser gemeinsames Webinar mit Karsten Traum von der Deutschen Kreditbank AG gezeigt hat, der als Verantwortlicher für den Bereich Unternehmensentwicklung und Solutions an zentraler Stelle für die Nachhaltigkeitsstrategie seiner Bank steht.

Die umfangreichen Aktivitäten der Banken sind aus ganz verschiedenen Gründen bemerkenswert, denn das Thema ist nicht trivial:

  • Nachhaltigkeit ist vielschichtig, weit über das heute meist im Fokus stehende „E“ für Environmental Topics hinaus
  • die Regulatorik ist bereits umfangreich und wird sich kontinuierlich weiterentwickeln
  • und je tiefer man in das Thema einsteigt, desto mehr Widersprüche wird man entdecken.

Komplexitäten und die gegebenen Rahmenbedingungen bremsen den „speed to market“ nachhaltiger Lösungen oft spürbar aus. Dass etwa die Errichtung eines Windparks oder von Stromtrassen Jahre dauert, kann nicht der Anspruch sein und schlägt letztlich auch auf die Handlungsdynamik der Banken durch. Hinzu kommt, dass die erste Runde der EU-Taxonomie viele sinnvolle Finanzierungs- und Investitionsaktivitäten qua Methodik noch nicht honoriert – was nicht dazu führen soll, dass sie eingestellt werden. Denn die Aufgabe der Banken liegt vorrangig in der Finanzierung der Transformation der Realwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit, nicht in der finanziellen Versorgung von bereits heute grünen Assets.

Zahlreiche Widersprüche umgehen

Das wird in Anbetracht der zahlreichen Widersprüche im Umfeld der Transitionsaufgaben alles andere als einfach. Da ist einerseits der aktuelle Nachhaltigkeitsfokus. Bei Betrachtung der öffentlichen Debatte könnte man den Eindruck gewinnen, dass es schon enorm viel grünes Geschäft gibt. Wendet man das auf die Immobilien als Beispiel an, ist nur ein kleiner Teil des Bestands heute bereits nachhaltig. Ein weiterer kleiner Teil am unteren Ende wird „braun“ und nicht sanierbar sein, und der große Auftrag der Finanzdienstleister liegt darin, die große Menge dazwischen energetisch zu sanieren. Genau darauf muss der Fokus der Bankenaktivitäten liegen. Nicht auf den Zielzustand kommt es an, sondern auf den Weg dahin.

Darüber hinaus ist die Realwirtschaft erst dabei, genau die Daten zu sammeln, auszuwerten und zu reporten, die Banken bereits heute für ihre Entscheidungen benötigen. Auch die CSRD-Pflicht und die Idee eines European Single Access Points, wo alle Nachhaltigkeitsdaten zentral und maschinenlesbar vorhanden sind, kommen erst perspektivisch. Problematisch sind aber nicht zuletzt auch die umfangreichen Zielkonflikte zwischen den Nachhaltigkeitsdimensionen. So liegt der Fokus sehr stark auf der Klimaneutralität. Für einen erfolgreichen Wandel müssen aber auch soziale Aspekte oder Biodiversität stärker in den Mittelpunkt rücken. Ob CO2-arme Atomenergie versus Endlagerproblematik oder energetische Sanierungen versus Leistbarkeit von Wohnraum – solche Trade-offs werden uns künftig verstärkt begegnen. All das erfordert von Banken eine Anpassung der Rollendefinition und neue Fähigkeiten.

Kunden pragmatisch begleiten

Finanzinstitute werden beispielsweise weit tiefer in die Geschäftsmodelle ihrer Kunden eintauchen müssen. So braucht es in der Finanzierung von Biogasanlagen oder nachhaltiger Landwirtschaft neben Finanzprofis auch Agrar- oder Energieingenieure, die sich im Zweifelsfall mit Gummistiefeln ein Bild vor Ort beim Kunden machen können. Die Workforce der Institute wird damit möglicherweise erheblich diverser. Mittelständler wiederrum können auch bei der Erzeugung und Erfassung von Nachhaltigkeitsdaten alle erdenkliche Hilfe gebrauchen. Hier kann sogar ein neues Geschäftsmodell bzw. ein Differenzierungsmerkmal für Banken liegen. Um die Nachhaltigkeit zu operationalisieren, brauchen wir Technologie. Die Erfahrungen aus Digitalisierung und Analytics stellen hierfür die Basis dar. Die Bank wird in diesem Szenario noch weit stärker zu einem Technologieunternehmen, ein Weg den jüngst auch die DKB mit ihrem 400 Mio. Euro-Investment zur Transformation eingeschlagen hat.

All das wird sich auch in tiefen Veränderungen in der Organisation der Banken widerspiegeln. Nachhaltigkeit muss als Querschnittsfunktion tief bis in die einzelnen Einheiten der Finanzinstitute verankert werden. Und dort müssen wiederrum Mitarbeiter sitzen, die den neuen Anforderungen und der neuen Rolle der Bank als Nachhaltigkeitsbegleiter und -treiber über Aus- und Weiterbildungen gerecht werden können. Die Motivation der Banken liegt hier längst nicht nur in regulatorischer Compliance und dem Geschäft, sondern auch in der Attraktivität als Arbeitgeber. Der personelle Nachwuchs erwartet plausible und glaubwürdige Antworten auf die Jahrhundertherausforderung Nachhaltigkeit und einen Job mit Purpose. Ohne eine Neuausrichtung gefährden Banken daher auch die Zukunftsfähigkeit ihrer Organisationen.

In meinem Austausch mit Banken und ihren Entscheidungsträgern spüre ich stärker denn je die große Motivation der Institute. Auch wenn die Rahmenbedingungen alles andere als einfach sind und man sich mit den Widersprüchen auseinandersetzen muss, sollten Banken das Momentum nutzen, um das mit dem Wandel verbundene Potenzial zu heben.